Warum ich Biwaks liebe – und man sie leicht hassen kann

Biwaks sehen wie die ideale Ausrüstung für Übernachttouren mit minimaler Ausrüstung aus, schaut man nur auf ihr leichtes Gewicht und das zeltartige Aussehen.

Weiß man allerdings nicht, worauf man sich mit ihnen einlässt, kann man sich leicht (ent)täuschen.

Je nachdem, wie man unterwegs sein will, wird man Biwaks (wie ich) lieben… oder hassen.

Es kommt darauf an, was man will und braucht – und wie gut man mit unbequemen Bedingungen umgehen kann und will.

Vor- und Nachteile von Biwak vs. Tarp vs. Zelt

Man könnte für schnelle Touren natürlich einfach ohne einen Schutz, den man mittragen muss, unterwegs sein, oder mit einem Tarp oder einem Zelt.

Es gibt gute Gründe für alle – und ich will in diesem Eintrag über meine Vorliebe für Biwaks sprechen.

Bivy vs. freie Natur

Ein Bivy bietet mehr Schutz als das bloße Schlafen unter den Sternen, mit nichts als Matte und Schlafsack.

Mit einer solchen Option möchte ich darum nicht unterwegs sein, weil ich meistens in Gegenden bin, wo es Moskitos, Zecken und anderes Getier gibt.

Das letzte, was ich möchte, ist alles außer mein Gesicht zu schützen, um es solchen Quälgeistern zum Opfer darzubringen.

(Noch dazu verwende ich bei solchen Unternehmungen meist meine harten Kontaktlinsen, die ich zum Schlafen hinausnehmen muss. Das trägt natürlich dazu bei, das Gesicht über Nacht geschützt haben zu wollen.)

Bivy vs. Tarp

Aus demselben Grund kommen die oft sehr beliebten Tarps für mich nicht in Frage. Ich möchte nicht nur meinen Körper vor eventuellem Regen geschützt haben, sondern mehr wie in einem Kokon liegen.

Ein Bivy ist genau dieses wenige schützender, wenn auch weniger atmungsaktiv, als ein Tarp.

Außerdem werde ich auf einem Berg eher keine Bäume mehr finden, an die ich ein Tarp binden könnte. Mit Wanderstöcken könnte es immer noch funktionieren, aber das Tarp könnte sich bei Wind leicht in ein Segel verwandeln – und Wind habe ich nun wirklich oft.

Damit finde ich ein Biwak auch vielseitiger nutzbar; man braucht nur einen flachen Platz, der gerade groß genug für das Bivy selbst ist.

Mit dem Biwak in einem Unterstand am Sarstein im Winter
Mit dem Biwak in einem Unterstand am Sarstein im Winter

Bivy vs. Zelt

Ein Zelt bietet mehr Komfort zum Schlafen und Campieren, aber man muss dafür natürlich mehr Gewicht mit sich tragen. Meist dauert es auch länger, ein Zelt aufzubauen, selbst wenn es ein freistehendes Modell ist, und ein Zelt braucht mehr Platz.

Ein Zelt wäre in Anbetracht meines Bedürfnisses nach Schutz großartig.

Ein freistehendes Zelt würde sogar noch weniger eines richtigen Aufbaus (mit Heringen) bedürfen, als die Biwaks, die ich mag.

Ein Zelt würde allerdings auch stärker dazu neigen, den Wind zu fangen, als ein Biwak mit niedrigem Profil.

Auf dem Berg, abseits vom Wanderweg, zwischen den Latschen, unter den Sternen...
Auf dem Berg, abseits vom Wanderweg, zwischen den Latschen, unter den Sternen…

Die Sache mit dem Biwakieren

Und „low-profile“, etwas versteckt unterwegs zu sein ist mir, frei heraus gesagt, nicht unwichtig, weil ich immer wieder an Orten im Biwak lande, wo das toleriert wird und legal ist… oder auch nur toleriert wird.

Ich werde keine Spuren hinterlassen; das ist Ehrensache und mir wichtig, aber ich könnte durchaus schon in Situationen gelandet sein, in denen das Biwakieren schlichtweg illegal war.

Und nein, mir geht es nicht darum, dass ich mit dem Biwak leichter mit etwas Illegalem davonkomme als mit einem Zelt.

Geplante Nächte im Biwak werde ich dort machen, wo sie auch erlaubt sind; illegale können dann passieren, wenn ich eigentlich eine Tour machen wollte, bei der ich auch über Nacht in Bewegung bin, aber irgendwann einfach nicht mehr weiter kann.

In solchen Situationen bin ich auch schon am Straßen- – oder eigentlich Waldweg- – Rand in meinen Laufsachen zum Schlafen gekommen, aber eher werde ich eben Unterlage, Schlafsack und Biwak mitgebracht haben, sollten sie irgendwo auf einem Berg nötig werden können (was ja auch durch plötzlich heraufziehendes Schlechtwetter geschehen könnte).

Was für ein Biwak eigentlich?

Wir müssen auch einmal klarstellen, was wir eigentlich mit „Biwak“ meinen.

Es gibt Biwaksäcke für den Notfall, die nicht mehr als ein Sack sind. Erzählungen nach gibt es Leute, die das ultraleicht und billig angehen, indem sie einfach einen Müllsack über ihren Schlafsack ziehen!

Für wirklich ultraleichte Abenteuer wäre ein Schlafsack mit wasserdichter Hülle oder ein solches (Notfall-)Biwak natürlich die Ausrüstung mit dem geringsten Gewicht und Packmass. Dazu braucht man dann nur noch eine Unterlage.

Die Biwaks, die ich als die besten empfunden habe – und auch diese kann man als die besten oder die schlimmsten sehen – sind jene von Outdoor Research. Und auch in deren Angebot gab es einiges an Hin-und-her!

Outdoor Research Biwaks

Die OR-Biwaks, an die ich denke, sind (ein wenig) mehr als die Biwaksäcke, die nicht mehr als ein wasserdichter Schutzsack für den Schlafsack sind.

Das Interstellar Bivy (und das simplere Stargazer) der früheren Kollektion und das aktuelle Alpine AscentShell Bivy bieten eine Stange, die das Biwak vom Gesicht fernhält (zumindest, wenn man es mit Heringen richtig aufbaut) und einen Eingang mit einem inneren Moskitonetz und dem wasserdichten-atmungsaktiven Äußeren.

Diese Kombination an Eigenschaften bedeutet, dass man das Biwak in wärmeren Konditionen so nutzen kann, dass man die äußere Abdeckung offen lässt. Damit ist man vom Moskitonetz geschützt, kann dem Singen der Insekten außen lauschen und in Sicherheit in den Sternenhimmel sehen.

Ist es zu kalt oder regnerisch, kann man die Hülle schließen und ist, vorausgesetzt man hat einen ausreichend guten Schlafsack, selbst für Winternächte gerüstet.

Outdoor Research Interstellar Biwak bei Winter-Übernachtung
Outdoor Research Interstellar Biwak bei Winter-Übernachtung

Man muss hier allerdings auch Schwachstellen von Biwaks hinweisen: Selbst wenn man im Winter mehr Wärme oder im Regen mehr Nässeschutz braucht, sollte man ein solches Biwak nicht komplett schließen.

Das größte Problem von Biwaks

Selbst mit den aktuellen, gut atmungsaktiven, Materialien wird man in einem Biwaksack Kondensation finden – und wenn man keine Öffnung für etwas Luftzug lässt, kann man schnell bis hin zu Erstickungsgefühlen kommen.

Es gibt zwischen Schlafsack und Biwak meist wenig Raum – darum ja auch die Stange, die zumindest das Biwakmaterial über dem Kopf ein wenig weghält – so dass es weniger Luftzirkulation und damit mehr Kondensation gibt.

Zu etwas Nässe bin ich noch meistens aufgewacht.

Ein Biwak ist ausserdem einfach ein enger Raum, man kann sich also nicht viel drehen. Das Kochen ist auch nicht ganz einfach; bei Regen wäre es noch problematischer.

Essen machen im Biwak - nicht dasselbe wie in einem Zelt ;)
Essen machen im Biwak – nicht dasselbe wie in einem Zelt 😉

Sucht man also nach möglichst komfortablen Nächten, dann ist ein Bivy nicht empfehlenswert; es wird damit Probleme geben.

Und trotzdem: Biwaks sind grossartig

Ich finde genau hier allerdings das grosse Plus der Biwaks:

Bei meinen schnellen Touren über Berge, bei denen es eine Übernachtung geben soll oder könnte, geht es nicht um ein bequemes Herumliegen an einem Lagerplatz.

Es geht mir darum, mit minimalem Gewicht (oder zumindest minimaler essentieller Ausrüstung, bedenkt man all das Gewicht für Videoausrüstung), oft in die Nacht hinein, unterwegs zu sein, bis ich irgendwo einfach nicht mehr weiter kann und ein Nachtlager finden muss.

Selbst, wenn es mir um eine Bergnacht geht, will ich nicht bequem campieren, sondern ein möglichst kleines Lager machen, das ich nahe einem Gipfel aufbauen kann.

Um dem Sonnenuntergang zuzusehen kann ich bei guten Bedingungen immer noch draussen sein.

Wenn nicht, dann liege ich für den Sonnenuntergang und den Blick in den Sternenhimmel wahrscheinlich im warmen Schlafsack im Biwak, mit dem Wetterschutz offen, dem Moskitonetz oben wenn nötig, stelle meine Kamera in der Nähe auf ihr Stativ und mache ein wenig Astrophotographie.

Mit dem Sonnenaufgang wird dann wieder zusammengepackt und weitergelaufen.

Ausblick auf das morgendliche Alpenglühen nach Winternacht im Biwak
Ausblick auf das morgendliche Alpenglühen nach Winternacht im Biwak

Natürlich wird das unangenehm, wenn es rundum nass ist oder sich Kondensation bildet.

Aber, wie gesagt: Um Komfort geht es mir nicht.

Für geplante Übernacht-Touren (und eigentlich die allermeisten meiner Touren, abgesehen von reinen Läufen) werde ich mich nicht aufmachen, wenn das Wetter schrecklich ist. Gerate ich in nasse Bedingungen, dann stört mich die Nässe nicht sonderlich, solange ich wenigstens dafür genug schlafen konnte, im nächsten Morgenlicht schnell weiter zu machen.

Für diese Bedingungen, für die Unternehmungen, zu denen ich mich aufmache, schätze ich nicht nur das geringe Gewicht und Packmass eines Bivy, sondern ich suche die Unbequemlichkeit.

Sie geht immer noch mit den oben beschriebenen Vorteilen einher, dem geringen Gewicht und Packmass, dem einfachen Aufbau wo auch immer ein gerade ausreichend grosses, ausreichend flaches, Plätzchen zu finden ist und der Schnelligkeit, die das alles insgesamt ermöglicht.

Und dafür liebe ich Biwaks.

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