Das Wie und Warum einer Bergnacht am Sarstein

Ich muss manchmal einfach weg von der Routine, von bequemen Fahrten zwischen Arbeit und Zuhause, zu einer Bergnacht.

Als es mit Arbeit einfach zu viel wurde, da brachte ich Ausrüstung für eine Wanderung über Nacht, ging zu einem Berg, schlief unter den Sternen…

Mit einer solchen Einleitung klingt das alles wohl einfach. Vielleicht klingt es auch seltsam.

Es war beides und noch mehr.

Die Logistik: Wie geht das?

Nach der Arbeit zu einer Wanderung gehen, das hat erstens einmal natürlich nur funktioniert, weil ich nicht zu viel zur Arbeit zu bringen hatte.

Dementsprechend konnte ich diese paar Arbeitssachen dort lassen, mit fertig gepacktem Wanderrucksack in die Arbeit kommen und damit sofort danach losfahren.

Es funktionierte auch nur, weil ich an jenem Freitag früh genug aus hatte, während der längsten Tage des Jahres, um bei der Ankunft noch genug Tageslicht zu haben.

Und, ich wusste, wohin ich gehen wollte und was mich dort erwarten würde. Oder zumindest dachte ich das.

Sarstein, Salzkammergut

Wohin ich fuhr, das war wieder einmal der Sarstein am Hallstätter See.

Blick auf den Wanderweg am Sarstein, von Drohne aus
Wandern oben zwischen Latschen – von oben

Dorthin zu gelangen braucht ein paar Stunden Zugfahrt von Wien, aber es ist leicht, hin zu fahren. Und nachdem ich dort schon öfter gewesen war, weiss ich, dass ich in einem halben Tag auf und über den Berg gehen kann – oder zumindest gehen können sollte – und einen Platz zum Schlafen finden kann.

Nicht zu vergessen, dass die Bedingungen nicht zu problematisch sein sollten… oder so dachte ich jedenfalls.

Beim Aussteigen aus dem Regionalzug in Steeg-Gosau, um loszuwandern, sah alles gut aus.

Es gab noch immer einige Stunden Tageslicht, spät am Tag wie es schon war. Die Temperaturen waren angenehm.

Der Berg sah einladend grün aus, in der späten Abendsonne leuchtend. Es sah nicht nach Problemen mit Schnee aus.

Auf bekannten Pfaden

Seit ich das letzte Mal – das letzte Mal von einigen – über den Sarstein gewandert war, weiss ich auch endlich, was der beste Weg vom Dorf auf den Berg ist, auf dem man möglichst viel von der Passstrasse vermeidet (und auch nicht versucht, den von allen Karten-Apps präferierten, aber in der Realität zumindest an einer wesentlichen Stelle nicht existierenden, Weg zu nutzen).

Mit diesem Wissen und dem letzten Tageslicht war der erste Aufstieg einfach.

Es war allerdings spannend, Wege zu erkennen – und zu erkennen, wo fehlende Wege mich andermal, bei Aufstiegsversuchen im Schnee, gestoppt hatten – weil ich dafür oft genug hier gewesen war.

Es ging gut voran. Endlich körperliche Anstrengung, um den Alltagsstress mehr und mehr zu vergessen.

Der Genuss der Nacht

So ging es in die Nacht. Heraus kam die Stirnlampe, weiter ging es entlang des Weges.

Nächte sind eine spezielle Zeit, um wandernd unterwegs zu sein. Man sieht nur noch so weit, wie die Stirnlampe leuchtet. Es fokussiert den Geist wunderbar, wie eine Meditation – zumindest für mich.

Zumindest solange, bis ich meine Wasserflasche an einem kleinen Wasserlauf füllte und plötzlich irgendetwas hinter mir hörte.

Nichts war je zu sehen, aber das hat meine Aufmerksamkeit dann noch besser, allerdings wenig entspannend, mit massig Adrenalin im Blut, konzentriert.

Es schien, als wäre ich am Weg schon sehr schön entlang gekommen, an die Sarstein-Alm kommend, wo der wahre Anstieg über der Baumgrenze beginnt. Hier wurde alles allerdings etwas anders.

Überraschung: Schnee

Vom Tal aus sah es nach wenig oder gar keinem Schnee am Berg aus.

Das war aber ein ziemlich falscher Eindruck.

Auf den steilsten Abschnitten des Bergs lag noch eine Menge Schnee. Genau da war ich nun, in der Dunkelheit, gegen Mitternacht.

Durch diesen Schnee musste ich nun weiterstapfen und meinen Weg erst einmal finden.

Der Weg war unsichtbar; kaum jemand – aber wenigstens ein paar Leute – waren hier unterwegs gewesen.

Der Schnee war wenigstens in genau dem richtigen Zustand: hart genug, damit man nicht weit einsank, weich genug, um guten Griff zu haben  und nicht abzurutschen.

Trotzdem war es oft genug besser, durch und über die Kriechlatschen, die dort wachsen, zu klettern.

Ständig war der Blick auf frühere Spuren und die virtuelle Spur der Route auf meiner GPS-Uhr notwendig, um sicher zu gehen, dass ich zumindest einigermassen am richtigen Weg hinauf war.

Das war alles langsam und anstrengend – und ich versuchte immer noch, einiges davon auf Video zu erwischen, endlich einmal meine Vlog-Kamera auf einem Gimbal dafür zu verwenden. Was man nicht so alles als YouTuber ausprobiert 😉

Ein Platz für die Nacht

Schon nahe beim Gipfel, aber doch noch darunter, fand sich ein Flecken ohne Schnee.

Die Entscheidung, hier für die Nacht zu bleiben, war einfach; es war bei weitem zu spät, um weiter zu gehen und sah ganz danach aus, dass der Weg noch länger viel Schnee bieten würde.

Besser also, stehen zu bleiben und das Biwak aufzubauen, wo sich eine gute Möglichkeit bot.

Biwakplatz für meine Bergnacht
Biwakplatz für meine Bergnacht

Spät war es, tatsächlich. Und etwas Frust gab es noch dazu, hatte ich doch prompt den Joystick-Knopf des Gimbals verloren, den ich gerade erst hatte neu kaufen müssen – und den ich erst jenen Morgen daran montiert hatte.

Trotzdem, es war Zeit, zu schlafen.

Sterne, die Enormität des Universums… und Ruhe

Ab also in den Schlafsack, zur Ruhe – und dann ging der Blick hinauf, zu Milliarden Sternen über mir.

Es war eine Nacht, wie ich sie ewig nicht mehr gehabt hatte.

Gipfel und Sterne im Blick aus dem Biwak
Gipfel und Sterne im Blick aus dem Biwak

Mit nicht so wenigen Gedanken an Mortalität und Futilität, wie ich sie in letzter Zeit gehabt hatte, da hätte die Enormheit des Nachthimmels über mir mir wohl noch mehr solcher Gedanken an unsere Kleinheit und die Absurdität unseres Glaubens, dass unser Leben irgendetwas zu bedeuten hätte, geben sollen.

Im Starren auf die Sterne aber fühlte ich mich nur beeindruckt und ruhig. Ermutigt, beschwingt und erregt, dort zu sein, das zu sehen.

Mein Schlaf war nicht besonders gut.

Kurz, bald wie die Sonne wieder aufging. Unterbrochen, als Wind aus dem Tal aufkam und das Bivy flattern liess, so dass ich zuerst seltsame Träume hatte und dann davon aufgeweckt wurde.

Bei so viel körperlicher Anstrengung fällt es allerdings leichter, mit weniger Schlaf weiter zu machen.

Vorwärts!

So ging es im frühen Licht des Sonnenaufgangs, mit mehr Sicht des Wegs – auch zum Kreuz an seinem Gipfel, gleich den nächsten Hang hoch – ans Packen und weiter.

Der Blick zum Gipfel im frühen Morgenlicht
Der Blick zum Gipfel im frühen Morgenlicht

Ein Blick noch auf den Lagerplatz – Keinerlei Spuren meiner Anwesenheit sichtbar, also alles gut! – und es ging los.

Der ganze obere Teil des Berges, bis sein Plateau wieder in Wald übergeht, war noch immer weithin mit Schnee bedeckt.

Wieder war der Weg oft nur auf meiner GPS-Uhr zu sehen. (Der Suunto 7, die ich über Nacht wieder geladen hatte, übrigens.)

Der Schnee war zumindest auch weiterhin gut „wanderbar“: weich genug für Grip, hart genug um nicht einzusinken.

Ausblicke… vor die Füsse und weit umher

Im Tageslicht war es wenigstens auch wieder leichter, weiter zu sehen – und die Ausblicke rundum waren fantastisch!

Morgenlicht-Blick am Gipfel

Durch den Schnee galt es noch lange zu stapfen.

Der Sarstein mag nicht der höchste Berg sein, nicht die härteste Wanderung, aber es braucht doch seine Zeit, um ihn zu überschreiten. Insbesondere, wenn genug Schnee liegt.

Mit Blick auf den Dachstein ging der Weg weiter, langsam abwärts.

Zu Bereichen mit weniger Schnee, mehr Latschen.

Vorbei an der Sarsteinhütte und dann auf die bewaldeten Hänge – ohne Schnee – hinunter nach Obertraun.

Zurück zur Zivilisation

Die Milliarden-Sterne-Nacht beendete, den Tag begann ich, wie ich es in diesem Teil der Alpen inzwischen sehr gerne mache:

Nicht gleich zurück, sondern mit dem Zug erst einmal nur bis Bad Ischl fahrend.

Dort dann auf eine Frühstücks-Stippvisite beim Café Zauner, in den eleganten Umständen, mit denen schon die österreichische Kaiserfamilie zufrieden war.

Der Kontrast, den das bietet, ist ein gross(artig)er.

Es ist eine seltsame Sache, von einem Biwak auf einem Berg zum Frühstück in einem solchen Kaffeehaus zu wechseln, es ist aber auch eine schöne Erinnerung daran, wie das Leben nun einmal so ist:

Voller Gegensätze, und durch sie umso besser, intensiv gelebt, mit Sorgfalt.

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